Was um alles in der Welt ist denn jetzt schon wieder los? Da bringt Apple seinen neuesten Smartphone-Burner auf den Markt, Menschen campen zum Verkaufsstart vor T-Punkt-Shops und Fans reißen sich die Klamotten vom Leib vor Begeisterung ob der Funktionsvielfalt des neuen iPhone 4 – und was machen die Medien? Sie zerreißen den Hersteller in der Luft, nur weil man mit dem Ding angeblich nicht telefonieren kann.
Alle stürzen sich dankbar auf «Antennagate« (google: 2,37 Mio Einträge), weil man jetzt endlich dem innovationsführenden Unternehmen in Sachen User Experience mal so richtig eins reinwürgen kann. Ha! Ein Telefon, mit dem man nicht telefonieren kann. Pfui!
Wie immer hat jeder Schlaumeier etwas beizutragen. Ganze Foren beschäftigen sich mit dem Thema und geben Tipps, wie man das neue iPhone am besten in der Hand halten muss, damit man wenigsten zwei zusammenhängende Sätze sagen kann, bevor die Unterhaltung abbricht. Begriffe wie der Todesgriff machen die Runde. Es gibt sogar Ideen, das iPhone einfach in Wunschfarbe anzumalen. Damit ist wahrscheinlich nicht das Empfangsproblem gelöst (man testet noch), aber wenn man schon nicht telefonieren kann, dann soll das Teil, das man sich ans Ohr hält, wenigstens schöner aussehen als vorher.
Fakt ist: Jeder redet drüber. Dabei ist das Antennenproblem gar nicht neu. Denken wir doch einmal gefühlte 80 Jahre zurück (für die jüngeren unter uns: Gegen 23 Uhr war Fernsehen aus und man döste für den Rest des Abends bei grauem Schneetreiben langsam in den Tiefschlaf). Bevor man sich die Schölermanns ansehen konnte, stieg Papa aufs Dach, um unter gebrüllten Anweisungen von Mama die Antenne in die richtige Position zu bringen, damit der Rest der Familie überhaupt was erkennen konnte auf dem Transistormonitor. Todesakrobatik anstatt Todesgriff. Und kein Mensch hat sich aufgeregt, außer Papa, der während der Sendung auf dem Dach bleiben musste.
Die Frage, die sich mir stellt ist: Was macht Apple? Meine Antwort: Eigentlich alles richtig. Pressekonferenz von Steve Jobs persönlich; wir lieben unsere Kunden; Smartphones haben weak points, da kann man nichts machen; kostenlose Schutzhüllen, für alle; wer trotzdem nicht klarkommt, kann das iPhone zurückgeben und bekommt das Geld zurück – und zwar alles. Fantastisch.
Soweit also eigentlich alles gut. Apple lässt die Hosen runter. Warum funktioniert das trotzdem nicht? Ganz einfach: Um zu zeigen, daß Antennagate kein Apple-eigenes Problem ist, präsentiert der Godfather des zufriedenen Kunden einige Youtube Videos, die zeigen, dass das Problem auch bei anderen Smartphones auftaucht, wenn man auf den abwegigen Gedanken kommt, damit zu telefonieren.
Schade. Dem sonst so cleveren Communicator unterläuft ein Fehler, den man eigentlich nicht erwarten durfte. Er versucht, das Problem abzuschwächen, indem er den Wettbewerb mit reinzieht. Das ist nicht nur dumm, sondern auch noch sehr ungeschickt, wenn man bedenkt, wozu die Pressekonferenz eigentlich gedacht war. Schnell reagieren, Schuld eingestehen, Lösung anbieten, die alle zufriedenstellt. Und damit hat sichs. Darauf fliegt der Kunde, darauf fliegt die Presse. Es folgen ein paar nette Berichte in den Medien – und alles ist wieder gut.
So war es sicherlich gedacht. Aber was passiert? HTC, Nokia & Co. sind empört und die negativen Berichte reissen nicht ab. Und warum nicht? Weil der Wettbewerb auch eine PR-Abteilung hat, Herr Jobs! Sofort wurden Reaktionen gestreut und in den Medien dankbar aufgenommen. Gummihüllen sind Mumpitz. Sogar Steve Jobs brillanter Einwand, dass nach Verkaufsstart des iPhone 4 sich lediglich 0,55% der Supportanfragen um das Thema «Ich kann nicht telefonieren, weil der Empfang immer abbricht« drehten, wird von einem Wettbewerber durch simple Arithmetik entkräftet. Bei denen kommen die Supportanfragen zum gleichen Thema nämlich nur auf die homöopathische Größe von 0,016%. Und das wären fünfmal weniger als bei Apple. Na bitte.
Also, was lernen wir daraus: Erstens, dass PR-Abteilungen offensichtlich gut rechnen können. Zweitens, wenn Du die Hosen runterlässt, dann bitte nur deine eigenen und nicht nur bis zu den Knien. Und drittens, dass man manchmal mit wirklich guten Argumenten lieber etwas sparsamer umgehen sollte, weil man sonst in einen Dialog kommt, den man eigentlich vermeiden wollte.
Am besten, Sie schreiben sich das gleich auf.
Beste Grüße
Kai-Michael Schmuck
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