Nicht zu fassen. Schlag ich doch gestern ein Marketing Magazin auf (nein, ich lese eigentlich nicht, ich scanne durch Printmedien) und was finde ich auf Seite 6 unter der Rubrik «Aktuell«? Die neue Old Spice Kampagne, die überall für Furore sorgt. Ja, richtig gelesen: Old Spice, das Zeug, dass man sich zuerst in die Hand schüttet, bevor man sein Gesicht damit benetzt. Und der Duft, den mein Opa schon nutzte, um meine Oma zu provozieren, ohne dass er dazu aufstehen musste. (ok, dass ist der Claim eines anderen Duftes, aber im Grunde riecht der genauso streng).
Der Relaunch der Kampagne von Wieden & Kennedy startete vor drei Monaten mit einem klassischen TV-Spot, einem eigens dafür ausgesuchten Protagonisten, der fortan als «Old Spice Man« in die Werbegeschichte eingehen wird (Isaiah Mustafa, den kannte vorher nur seine Mutter) und einer komplett integrierten Kampagne. Schon der Spot allein sorgte bei youtube für Aufsehen, wurde aber durch eine Mitte Juli diesen Jahres gestartete integrierte Social Media Kampagne in unglaubliche Höhen getrieben.
Ein paar Zahlen? Kein Problem: Mehr als 55 Millionen (in Zahlen: 55.603.623!!) Videoabrufe zählt allein youtube, in Twitter hat Old Spice 96.477 Follower (wieso folgt mir eigentlich nur meine Mutter), und in Facebook «gefällt« 724.551 Personen (!!) alles das, was Old Spice tut, macht und anleiert. Auf einer zugegebenermaßen sehr anschaulichen Facebook-Seite, konnte man dem Old Spice Man direkt Fragen stellen, die er jedes Mal mit einem kleinen Video beantwortete. So entstanden innerhalb von nur 48 Stundenmehr als 170 Videos. Unfassbar.
Und unfassbar clever.
Während Marketing-Strategen sich verwundert die Augen reiben und Marketingleiter ihre ab sofort unkreativen Agenturen anbrüllen, fragen wir uns doch mal, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Was macht diesen Relaunch so erfolgreich? Ganz einfach: Man hat bei der Agentur (und natürlich auch bei Procter & Gamble) offensichtlich verstanden, dass man vorbereitet sein muss, bevor man eine Social Media Kampagne diesen Ausmaßes lostritt. Dass es eben nicht reicht, einfach nur überall präsent zu sein. Sondern dass man damit rechnen muss, einen Demand zu kreieren, den man dann auch befriedigen muss. Und zwar schnell. Eine integrierte Kampagne ist ja nicht nur deshalb integriert, weil man alle Plattformen und Webseiten miteinander verlinkt. Auch inhaltlich muss das stimmig sein. Content is king, klar. Aber Interaktion ist Papst. Ohne funktioniert in Social Media gar nichts. Und das haben die wirklich so perfekt gemacht, dass man neidisch werden könnte. Verflixt.
Die Kampagne selbst zieht wirklich alle Register und erfuhr zudem noch externe Unterstützung. Und nicht zu knapp. Kaum ein Fernsehsender in den USA, der nicht über den Relaunch berichtete. Und das Beste ist, dass sie auch noch alle den Ur-Spot gleich mitpräsentiert haben – manchmal sogar zur Primetime. Da kann der Traffic natürlich nicht ausbleiben. Das macht man aber natürlich nur, wenn der Spot selbst kreativ ist. Und das ist er allemal. Deswegen hier nochmal zum geniessen:
»Ok«, werden jetzt einige sagen, »der Spot ist klasse, die Kampagne ist klasse, der Typ ist klasse, Social Media at it's best, aber: Das Zeug stinkt doch immer noch so wie vor 50 Jahren.« Stimmt. Das Paradoxe ist natürlich, dass wir nicht wissen, ob sich der Abverkauf tatsächlich gesteigert hat oder nicht. Und obwohl ich sicher bin, dass einer von den 55 Millionen, die sich den Spot angesehen haben, auf die Idee gekommen ist, in Zukunft so zu riechen wie dieses Mitglied der afroafrikanischen US-Streitkräfte – darum soll es hier nicht gehen. Aber man kann an dieser Kampagne sehr schön sehen, was alles möglich ist, wenn man weiß, wie man eine Web 2.0 Kampagne aufsetzt. Und darum geht es.
Da fällt mir noch ein: Was ist eigentlich aus Hattric geworden? Wir erinnern uns an das Rasierwasser, das einem das Gesicht wegbrannte, wenn man sich nicht gerade mit einer Feder rasiert hat. Aus einer Zeit, als Werbung noch mitleidig Reklame genannt wurde.
Hattric erfrischt und entspannt die Haut. Mehr geht nicht!
Während Lichtgestalt Franz Beckenbauer dafür sorgte, dass nicht nur Kraft in den Teller, sondern auch Knorr auf den Tisch kam, pfiff sich «Uns Uwe« eins (Im Frühtau zu Berge), machte ein langes Gesicht ob der leeren Flasche in seiner Hand, um sich danach hocherfreut die ganze Ladung einer neuen Flasche ins Gesicht zu klatschen. Ich frage mich, ob damals eigentlich alle nach Uwe Seeler riechen wollten. Und was es braucht, um auch diesem betörenden Duft wieder neues Leben einzuhauchen.
Ich sach mal, mindestens drei Facebook-Kampagnen, sach ich mal ...
Es grüßt
Kai-Michael Schmuck
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