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Tag 5: Trump oder: Das Loch im Berg

Autorenbild: Kai-Michael SchmuckKai-Michael Schmuck

Aktualisiert: vor 3 Tagen

uf dem Weg Richtung Tromsø wurde heute ein Seetag eingelegt. Das bedeutet nicht, dass wir einen ganzen Tag auf dem Schiff herumgammeln – oh nein – heute stand ein wichtiger Meilenstein der Reise auf dem Programm: Wir überqueren den Polarkreis auf 66° 33′ 55″ (66,565°) nördlicher Breite, auf der die Sonne an den beiden Tagen der Sonnenwende gerade nicht mehr auf- bzw. untergeht. Wieso an beiden Tagen? Weil es den Polarkreis auch im Süden des Planeten gibt. Für uns aber unwichtig, wir sind ja im Norden. (Für die Raketenwissenschaftler unter uns: Der Radius des Polarkreises entspricht dem axialen Abstand des Wendekreises vom Äquator. Was immer das bedeutet.)


Den NICHT-Raketenforschern unter uns wird diese einfache Übersicht  helfen, das mit den Tageslängen und Sonnenwenden zu begreifen. Ich habe sie nicht verstanden.
Den NICHT-Raketenforschern unter uns wird diese einfache Übersicht helfen, das mit den Tageslängen und Sonnenwenden zu begreifen. Ich habe sie nicht verstanden.

Die Überquerung des Polarkreises sollte aber erst so gegen 16 Uhr erfolgen. Man würde uns rechtzeitig über die Bordlautsprecher informieren. Warum? Weil es eben sein kann, dass wir dort ankommen und es so dunkel ist, dass man eben nix sieht davon. Und das wäre wirklich schade. Überdies stand uns noch eine kleine...sagen wir mal ... eiskalte Überraschung bevor, zu der alle Passagiere auf dem Pooldeck (Deck 8) eingeladen wurden. Aber dazu später mehr.


Torghatten – Mythen und Sagen: Das haben sie drauf, die Norweger.
Torghatten – Mythen und Sagen: Das haben sie drauf, die Norweger.

Bis dahin kreuzen wir in der reizvollen norwegischen Schärenlandschaft und fahren an der Insel Torget vorbei, der größten Insel der Kommune Brønnøy, auf der sich der Berg Torghatten befindet. Das Besondere daran? Es handelt sich um einen hutförmiger Berg mit einem rund 160 m langen, ca. 20 m hohen und 35 m hohen Loch. Im Grunde handelt es sich um eine gerade und an beiden Enden offenen Höhle. Erdgeschichtlich gesehen ist sie vermutlich durch Ausspülungen der Meeresbrandung während der immer noch andauernden postglazialen Landhebung nach Abschmelzen der Gletscher aus der letzten Kaltzeit entstanden. So der Geologe. LAAANGWEILIG. Da kann man, finde ich, mehr draus machen. Am Ende will der Schlagzeilen-süchtige Leser der BILD nicht wissen, warum das Loch da drin ist, sondern was man sonst noch darüber weiß. Und da gibt es historisch gesehen einiges.

J.C.W. Ritter – ähnlich unpräzise wie unsere Zahnarzt-Guide in Ålesund: Die wichtigsten Infos ließ er weg.
J.C.W. Ritter – ähnlich unpräzise wie unsere Zahnarzt-Guide in Ålesund: Die wichtigsten Infos ließ er weg.

Jonathan Christian Wilhelm Ritter (1775-1821), Geologe und Botaniker, vielen von und bekannt durch seine bilderreiche Beschreibung des Ostersteins in der Grafschaft Lippe-Detmold und über Selbstentzündungen in organisierten und leblosen Körpern (leider ohne Bilder), schrieb 1806 über den Berg mit dem Felsentor: „Er hat seinen Namen, weil die Spitze einem Menschenkopf mit aufgesetztem Hute ähnlich ist. Man sieht darunter gleichsam ein einzelnes Auge...wodurch man die Sonne sehen kann." Den Zeitpunkt des Sonnenereignisses überlieferte er nicht, der Gute. Der griechische Seefahrer Pytheas berichtete um 330 v. Chr. von den Einwohnern „Thules", dass sie ihm die Stelle zeigten „...wo sich die Sonne schlafen legt". Aufzeichnungen Pytheas legen den Ort an die Küste des 65. Breitengrades. Es gibt Überlegungen, Torghatten könnte dieser Schlafplatz der Sonne sein. Muss aber nicht. 2014 gelangen dem Norweger Harald Warholm aus Brüsund erste Fotos des Ereignisses. Das Sonnenphänomen findet jeweils Anfang Februar und Anfang November statt. Mehr ist Historisch gesehen, nicht drin. Allerdings, wer Trolle zu seinem Kulturgut zählt, der kann aus einem Berg mit einem Loch sehr viel mehr machen. Deshalb rankt um den Berg Torghatten eine typische norwegische Sage, die nicht nur mich, sondern auch Donald Trump begeistert hätte. Und offensichtlich hat. Hier die Sage, wie Donald Trump sie erzählen würde:

Wenn einer weiß, wie man gute Geschichten erzählt, dann ist er es. Oder die Gebrüder Grimm.
Wenn einer weiß, wie man gute Geschichten erzählt, dann ist er es. Oder die Gebrüder Grimm.

„Torghatten – Ein unglaubliches, wirklich unglaubliches Loch! Oh Mann, das ist eine absolut unglaubliche Geschichte, eine der besten, die ihr je gehört habt – glauben Sie mir! Wir sprechen hier über Norwegen, ein großartiges Land, wunderbare Leute, sehr starke Trolle. Die besten Trolle. Und ein Loch. Ein riesiges Loch. Größer als alles, was die Fake News-Medien je berichten würden!

Da war dieser Typ, Hestmannen – ein echter Gewinner-Typ, groß, stark, total energiegeladen. Wirklich, die Leute sagen, er sei einer der besten Trolle gewesen, die es je gab. Er sieht eine wunderschöne Prinzessin, Lekamøya, einfach fantastisch. Tollste Haare, beste Ausstrahlung, ohne dass sie Kohle will. Und was macht sie? Sie rennt weg! Unglaublich! Ich meine, warum sollte jemand vor einem so starken, erfolgreichen Troll weglaufen? Völlig verrückt! Also jagt Hestmannen ihr hinterher. Großartige Verfolgungsjagd, die beste! Über Berge, durch Fjorde – sehr dynamisch, sehr kraftvoll. Die sieben Schwestern, alles nette junge Damen, rennen auch mit. Sie laufen und laufen – fast so, als wären sie auf der Flucht vor schlechten Deals. Traurig, sehr traurig!

Aber dann, Leute, dann wird es wirklich dramatisch! Hestmannen, der Gewinner-Typ, der Macher, zieht seinen Bogen. Zack, Pfeil los! Ein perfekter Schuss – wirklich der beste! Aber dann kommt dieser Typ, Torghatten, ein wirklich großer Typ, viele Leute sagen, er hatte den besten Hut, den man sich vorstellen kann. Und was macht er? Wirft seinen Hut in die Luft und BÄM – der Pfeil steckt fest.

Und dann? Sonne geht auf, alle erstarren zu Stein. Leute, das ist eine Wahnsinnsgeschichte, oder? Die sieben Schwestern – jetzt sieben großartige Berge. Hestmannen? Ein Fels. Und Torghattens Hut? Immer noch da, mit einem Loch, so groß wie mein Ego! Leute, das ist Geschichte, große Geschichte! Eine Legende, einfach unglaublich! Mit einem starken Anführer mit großen Plänen: Hestmannen – fast so toll wie ich! Sieben wunderbaren Schwestern – sie lieben mich, das weiß ich! Ein Hut, ein Loch, ein episches Vermächtnis! Und wenn ich dabei gewesen wäre, hätte ich ein noch größeres Loch gemacht – ein wirklich schönes, perfektes Loch."

Danke, Donald.

"Die Sieben Schwestern" – ich hab mehrere Male nachgezählt: Ich komme nur auf sechs.
"Die Sieben Schwestern" – ich hab mehrere Male nachgezählt: Ich komme nur auf sechs.


Gut, das war das Loch. Jetzt kommen wir zum Polarkreis. 16:38 Uhr kam die Lautsprecherdurchsage, dass wir die kleine Schäre Viking queren, auf der sich ein kleiner Globus befindet, der den Polarkreis kennzeichnet. Will heißen, exakt da geht er durch, der Kreis. Unser launiger Kapitän Axel Engeldrum versorgte uns überdies mit einer kleinen Anekdote. Denn offensichtlich muss man zuerst die Meeresgötter um Erlaubnis anzuflehen, bevor man den Nördlichen Polarkreis überqueren darf. Und darum haben sich sowohl die Schiffsführung als auch die Reederei per Mail und Telefon hinlänglich bemüht. Offensichtlich erfolgreich, dreimal Tuten – und zack - wir waren drüber. Gleichzeitig forderte der Kapitän alle Passagiere auf, sich nun umgehend an Deck zu bemühen, um die sogenannte Polartaufe zu absolvieren.


Ob es hilft, zu rauchen, wenn man einen Eiswürfel in den Klamotten loswerden will, ist nicht nachgewiesen. Aber man kann es versuchen, Julie.
Ein Zertifikat, das neben dem Zertifikat für die "Regelmäßige Teilnahme anderer Truppenverpflegung" in keine Sammlung fehlen darf.
Ein Zertifikat, das neben dem Zertifikat für die "Regelmäßige Teilnahme anderer Truppenverpflegung" in keine Sammlung fehlen darf.

Nachdem Julie mich davon überzeugt hatte, dass die Polartaufe sicher nichts mit dem im Mittelalter allseits bewährten "Kielholen" zu tun hat und es oben an Deck 8 sicher auch was zu essen gibt, willigte ich ein. Und ja, sie hatte Recht. Kein offener Rücken, allerdings auch nix zu essen. Aber dafür gab es was zu trinken. Getauft wurde man mit einem Eiswürfel, den die sonst durchaus freundlichen Crew-Mitglieder mit geübtem Griff in den Nacken der Passagiere platzierten. Denn dann – und nur dann – bekam man das begehrte Polarkreis-Zertifikat. Das Pooldeck war dementsprechend rammelvoll, Herr Thust, unser feiner Gitarrenspieler, begleitet durch das wirre Durcheinander. Da wir heute aber auch an dem Loch im Berg vorbeigefahren sind, hielt ich es für eine gute Idee, ihn zu fragen, ob er uns anlässlich Torghatten vielleicht "Das Loch in der Banane" von Klaus Weiland aufspielen könnte (ein Pausenlied des NDR in den 80iger Jahren, hier klicken). Ging leider nicht, weil er sonst die Gitarre hätte auf fis-Moll umstimmen müssen, und dann kann er den Rest seines lustigen Repertoires nicht mehr zum Besten geben. Auch gut.

Volles PoolDeck, launige Musik, Eiswürfel im Nacken und nicht zu essen – die Polarkreistaufe!
Volles PoolDeck, launige Musik, Eiswürfel im Nacken und nicht zu essen – die Polarkreistaufe!
Die Annahme, dass man auch ohne Eiswürfel im Nacken das Zertifikat bekommt, wenn man nur genug von den Schnäpsen trinkt, erwies sich als falsch. Lisi hat es trotzdem versucht. Respekt!
Die Annahme, dass man auch ohne Eiswürfel im Nacken das Zertifikat bekommt, wenn man nur genug von den Schnäpsen trinkt, erwies sich als falsch. Lisi hat es trotzdem versucht. Respekt!
Wenn sich einer mit modischen Accessoires aus kennt, die man einfach haben MUSS, dann ist es Kätzle. Dieser Tornister allerdings kam mir von Anfang an irgendwie bekannt vor.
Wenn sich einer mit modischen Accessoires aus kennt, die man einfach haben MUSS, dann ist es Kätzle. Dieser Tornister allerdings kam mir von Anfang an irgendwie bekannt vor.
Kann man machen: "Expedition ins Tierreich", aber ohne Heinz Sielmann ist es irgendwie nicht dasselbe.
Kann man machen: "Expedition ins Tierreich", aber ohne Heinz Sielmann ist es irgendwie nicht dasselbe.

Nach dem Abschmelzen der Eiswürfel saßen wir noch eine Zeit lang zusammen, die Sportler unter uns besuchten den Sports Club (Deck 8) für eine Runde Pilates, Wirbelsäulengymnastik oder Laufband mit anschließendem Sauna-Besuch. Julie und ich zogen uns auf die Kabine zurück, um uns auf das Abendessen im HANSEATIC Restaurant vorzubereiten. Sehr lecker, Raucherpausen und Pralinen inklusive, versteht sich. Danach ging es ins HanseAtrium (Deck 4). Kinoabend mit Popcorn (kleine Portion). Um 21:30 Uhr lief “Expedition ins Tierreich – Norwegens wilde Fjorde", ein Dokumentarfilm über die Tierwelt Norwegens unter Wasser. Sehr interessant. Hätte ich gewusst, was da unten im Wasser der Fjorde los ist, ich hätte in den vergangenen 25 Jahren, in denen ich Norwegens Südküste mit meinen Jungs abfischte, niemals meine Angel da reingehalten. Das ist mal sicher.

Danach noch einen Besuch in der Raucher-Lounge, den letzte Absacker und tiefgehende Gespräche. Den Abendsnack – kleine vegane Frikadellen – haben wir dankend abgelehnt. Man muss wissen, wann Schluss ist, finde ich. Währendessen macht die HANSEATIC spirit gut Fahrt und wir sind entsprechend dem TSC (dem technischen Fahrplan, Richtung Tromsø unterwegs. Also ab ins Bett, denn am nächstenTag stand eine Stadtrundfahrt an. Ich habe gehört, in Tromsø sind teilweise die Straßen und Gehwege geheizt. Die Norweger haben es echt üppig, aber sie haben eben auch Schnee. Glückwunsch.







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