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Über Plutonium, Vogelkot und linkische Bajuwaren.


Eine Flasche Paulaner macht einen ganzen japanischen Reisebus volltrunken. Unser Bayer bestellt gleich drei. Frage: Was führt er wirklich im Schilde?

Mittlerweile ist es schon fast zwei Wochen her, aber da passierte folgendes: Ich, liegend, vor dem Fernseher. Sportschau. Fußball. Eigentlich müsste ich ja sagen, ich gucke nicht die Sportschau, sondern ich gucke Werbung, die ärgerlicherweise ab und zu von einem Bundesligaspiel unterbrochen wird. Egal. Es kommt der Vorspann der unvermeidlichen «Geschichten aus dem Paulaner-Garten«. Na, und die kennen wir doch alle. Ich voller Vorfreude, denn gleich werden da zwei Japaner, die bei einer schneidigen Bedienung auf japanisch etwas zu trinken bestellen wollen, von einem beisitzenden linkischen Bajuwaren aber mal so richtig übers Ohr gehauen. Drei Paulaner-Weizen … haha, recht so, denkt sich der Arbeitnehmer, der bei BMW die Türgriffe am Fließband montieren muss, endlich werden die Japse (flapsige Bezeichnung für die Bürger Nippons) mal langgemacht. Und was geschieht? Nix Japaner, unser Trunkenbold linkt diesmal einen Ami (auch gut!) und sabbelt irgendein komisches Zeug auf seine Handymailbox. Hier reißen allenfalls Opel-Mitarbeiter vor Schadenfreude die Arme in die Höhe.


Was war geschehen? Offensichtlich wollte man hier politisch besonders korrekt handeln. Hat der Japaner dieser Tage nicht genug auszustehen? Erdbeben, Tsunami-Welle und Super-Gau? Da kommt es nicht eben gut, wenn man dem Japaner auch noch im Biergarten übel mitspielt. Das nenn ich schnell reagieren. Bei den Amis scheint man da weniger pingelig zu sein als bei Paulaner.


Schnelle Reaktionen gibt es übrigens auch in der Politik. Was haben wir gelacht letztes Jahr, als sich die schwarz-gelbe Koalition nach reiflicher Überlegung und handfesten Drohungen seitens der Energieprovider dazu entschlossen hat, die Laufzeit der Kernkraftwerke zu verlängern. 15 Jahre, soweit ich weiß. Natürlich mit der Maßgabe, dass die Betreiber innerhalb von nur(!) 10 Jahren die alten Schuppen modernisieren müssen. Bei dieser Gelegenheit: Im Kleingedruckten steht genauer, was mit diesen 10 Jahren gemeint ist. Danach kann sich der Betreiber 9 Jahre und 11 Monate Zeit lassen und dann damit beginnen, die ersten Schraubenzieher für die Modernisierung zu kaufen. Oder sagen wir, er muss sie wenigstens bestellen. Ein guter Deal, dass muss ich zugeben.


Nun gut, das ist natürlich jetzt obsolet. Nach Japan (eigentlich muss es heißen, nach dem Erdbeben der Stärke 9 (auf der nach oben hin offenen Richter-Skala natürlich) in Japan, dass einherging mit einem unglaublich zerstörerischen Tsunami, der schließlich den Gau in den Atomkraftwerken herbeiführte, aber alle reden von «nach Japan«) hat man spontan reagiert und eben diese Laufzeitverlängerung via Moratorium für 3 Monate ausgesetzt. Was? Wie geht das denn? Wie kann man denn eine Laufzeitverlängerung aussetzen? Nun, die Frage ist nicht, wie man das kann, sondern warum man das überhaupt macht.



Alte Besen kehren gut. Vor allem in der Kernenergie.

Frau Merkel («Japan ist eine Zäsur!)« schien urplötzlich und völlig unabhängig von irgendwelchen anstehenden Wahlsonntagen das aufregende Gefühl zu haben, dass das, was in Japan passiert ist, es dringend erforderlich macht, noch einmal einen genaueren Blick auf die Sicherheit unserer eigenen Kernkraftwerke zu werfen. Da frag ich mich doch: Was um alles in der Welt haben die denn vorher gemacht? Gewürfelt?! (wenn man eine 6 würfelt, dann wird verlängert, bei allen anderen Zahlen darf man noch mal?). Ich stelle mir gerade vor, wie so eine Sitzung zwischen den Verantwortlichen der Regierung und Betreibern abgelaufen sein muss: «Angela, mal ehrlich jetzt. Wenn wir die alten Dinger abschalten, das wäre echt blöd.« «Warum denn das?« «Na Mensch, mit den alten Meilern verdienen wir uns dumm und doof, das wäre doch beknackt, wenn wir die einfach zu machen, oder?« «Stimmt, da ist was Wahres dran. OK, dann macht weiter. Aber nur 15 Jahre. Und ihr müsst versprechen, dass ihr da wenigstens einmal durchfegt.« «Gut, machen wir, aber nicht gleich, oder?«



Dass das Experten-Team von Fukushima-Betreiber Tepco keine Ahnung hat, liegt wahrscheinlich daran, dass sie ihre eigenen Aufzeichnungen nicht lesen können. Und das trotz Brille ...

Und während man hier darüber nachdachte, wie man sich durch die nächsten Wahlen hangelt, ging es in Japan drunter und drüber. Ein Krisenmanagement, das an das eines abstiegsgefährdeten Drittligaklubs erinnert, ein japanischer Ministerpräsident, der sich beim Verzehr von NICHT verseuchtem Trinkwasser mediengerecht übergeben muss (fast) und ein Expertenteam des Betreibers, das in der verstrahlten Brühe herumstochert, in Pressekonferenzen mit Aussagen wie «Die Situation ist schlimm.« glänzt  und nicht nur offensichtlich keine Ahnung hat, sondern auch noch so aussieht, als hätten sie keine. Gut, es ist nicht schlimm, wenn man keine Ahnung hat. Schlimm wird es erst, wenn man denkt, die anderen sind genauso doof. Frau Merkel, wenn Japan eine Zäsur ist, was war dann Tschernobyl? Eine Anregung? Ein verstohlener Hinweis, dass es auch schiefgehen kann? Ein kluger Kopf hat einmal gesagt, mit der Kernkraft ist es ungefähr so, als ob man bei einer Handgranate den Sicherungsring zieht und sich dann in aller Ruhe überlegt, wo man das Ding hinwirft. Und ich glaube, ich hatte recht damit.


Ursprünglich war ja geplant, in den drei Monaten der «Laufzeitverlängerungsunterbrechung« sogenannte Stresstests in den AKWs durchzuführen. Mir war ehrlich gesagt nicht klar, dass die Mitarbeiter eines Kernkraftwerkes irgendwas anderes tun, als in Monitore zu rindern und sich sonst die Falten aus dem Sack zu schlagen. Von wegen Stress. Oder hab ich da was missverstanden?


Aber nach den Wahlen letzten Sonntag wird es auch diese Tests nicht geben. Jetzt sollen die Dinger einfach abgeschaltet – und vor allem nicht wieder angeschaltet werden. Das ist wenigstens die Idee von FDP-Generalsekretär C. Lindner. Das ist ihm wahrscheinlich nachts eingefallen, als ohnehin alle Lichter aus waren. Wer braucht da Strom? Zudem ist diese Idee besonders deshalb charmant, weil Lindner einer Partei angehört, die gerade vor zwei Wochen noch der Meinung war, bei Brennstäben handele es sich um ein nützliches Hilfsmittel, mit dem man ein Feuerwerk anzündet. Und das glaubte noch nicht mal meine Oma (96).


Vogelkacke ist rehabilitiert. Plutonium konnte nicht nachgewiesen werden. Na dann ...

Soeben erreicht uns gerade die Nachricht, dass Japan zugibt: Ja, es hat eine Kernschmelze gegeben. Wahrscheinlich schon kurz nach dem Erdbeben. Aber nur eine kleine. Das ahnungslose Betreiber-Expertenteam zieht diese Erkenntnis aus dem Umstand, dass man im Boden auf dem Fukushima-Gelände bereits Spuren von hochgiftigem Plutonium entdeckt hätte. Achso! Na dann. Und ich dachte schon (wie wohl so viele von uns) die Ursache von Plutonium im Boden sei Vogelkot, der von achtlos herumfliegendem Gefieder einfach und ohne nachzudenken heruntergeschissen wird. Die Ornithologen können sich also entspannen.


Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob mich das wirklich beruhigt.

AKW nee! So sei es.


Kai-Michael Schmuck

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